Neue Leitung für die Alphabetisierungskurse
Nach 16 Jahren gibt Claus Bäuerle die Leitung der Alphabetisierungskurse an Ursula Jung ab.
Analphabetismus ist ein Tabuthema, mit Scham behaftet und die Betroffenen nutzen all ihr Geschick, damit niemand bemerkt, dass sie Schwächen beim Schreiben und Lesen haben. Deshalb ist Anonymität bei Alphabetisierungskursen einer der Schlüssel zum Erfolg.
"Es geht nicht nur darum, den Menschen Schreiben und Lesen so beizubringen, dass sie sich in dieser hoch technisierten Gesellschaft zurechtfinden. Wir müssen auch viel Psychologie machen und ihr Selbstbewusstsein stärken", so Claus Bäuerle. Er leitete seit 2002 die Alphabetisierungskurse des Ortsverbandes Rastatt des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) und hört jetzt auf.
Damals erkannte Annegret Klimek den Bedarf für solch einen Kurs. Publik wurde er über die Tageszeitungen gemacht, wo Vertrauenspersonen das Angebot entdeckten und die Betroffenen anmelden konnten. "Das ist auch heute noch der entscheidende Weg", so Bäuerle.
Zehn Frauen und Männer hatten sich damals auf Anhieb gemeldet, in den vergangenen 16 Jahren nahmen 50 Personen an den Kursen teil. "Der Erfolg liegt bei 50 zu 50", betont Bäuerle: 50 zu 50 ist auch die Aufteilung zwischen Frauen und Männern.
Wer für Deutsch-Muttersprachler von Analphabetismus spricht, meint in den überwiegenden Fällen die funktionale Form. Ab einem bestimmten Punkt haben die Menschen in der Grundschule abgeschaltet. Die Ursache kann in einer nicht erkannten Lese- und Rechtschreibschwäche liegen, in Hänseleien von Mitschülern oder in familiären Problemen. Deshalb wird auch ohne schulischen Zwang unterrichtet, damit nicht alte Ängste wieder aufbrechen. Die Menschen können vielleicht ein paar Buchstaben erkennen, schreiben und lesen, aber dann ist Ende. Claus Bäuerle erinnert sich an einen Mann, der bis zum "M" alle Buchstaben flüssig konnte, weiter aber nicht. Geschickt habe er in seinem Arbeitsalltag perfekte Strategien entwickelt, dass niemand etwas davon bemerkt. Schreibarbeiten delegierte er und räumte stattdessen lieber auf. Bis die Digitalisierung Einzug in den Betrieb hielt. "Er hat den Kurs geschafft", sagt Bäuerle.
Zwischen 18 und 60 Jahre alt sind die Hilfesuchenden. Gearbeitet wird in kleinen Gruppen von vier bis fünf Schülern, die sich zweimal die Woche für zwei Stunden treffen. Die Kurse sind fortlaufend, unterschiedlich der Leistungsstand der Schüler. "Das ist schwierig, aber dennoch ganz gut zu schaffen", ist die Erfahrung des scheidenden Kursleiters, der sich zu Anfang in Eigeninitiative weitergebildet hat, bevor die Problematik von der Politik aufgegriffen wurde. Mittlerweile gibt es einen berufsbegleitenden Studiengang an der Pädagogischen Hochschule Weingarten. Die aktuellen Zahlen für Baden-Württemberg sind mit fast einer Million Betroffener beachtlich.
Ein persönliches Gespräch zwischen Kursleiter und Betroffenen stand für Bäuerle immer am Anfang, um sich ein Bild von den manchmal allzu hochgesteckten Erwartungen machen zu können. Das Angebot des DRK ist niedrigschwellig. Es wird ein monatlicher Beitrag verlangt. Der Rückzug von Claus Bäuerle bedeutet nicht das Ende der Kurse, Ursula Jung tritt seine Nachfolge an.
Weitere Informationen zu den Alphabetisierungskursen des DRK Ortsverein Rastatt e.V. finden Sie hier.
Artikel aus "Badische Neueste Nachrichten"